B 7b AS 18/06; B 7b AS 10/06 R; B 7b AS 2/05 R
Das Bundessozialgericht hat erstmals zu den umstrittenen Fragen der Angemessenheit von Wohnraum und Unterkunftskosten Stellung genommen. Bei der Festlegung der "Angemessenheit der Unterkunftskosten" darf hiernach nicht auf die bundesweit geltenden Wohngeldhöchstbeträge des Wohngeldgesetzes zurückgegriffen werden. Die Kommunen müssen vielmehr eigene objektive Maßstäbe für die Angemessenheit einer Wohnung entwickeln, die den örtlichen Gegebenheiten besser entsprechen. Demnach können sich von nun an die Kommunen an den mittleren Werten eines Mietspiegels orientieren. Alternativ können sie auch die örtlichen Mieten im Sozialen Wohnungsbau als Maßstab heranziehen. Notfalls müssen die Kommunen eigene Erhebungen zu den örtlichen Wohnkosten durchführen.
Die Angemessenheit der Unterkunftskosten darf nicht nur über die Wohnungsgröße oder den Quadratmeterpreis festgesetzt werden. Entscheidend ist das Produkt aus Preis und Größe. Der ALG II Empfänger, der eine kleine Wohnung bezieht, hat deshalb mehr Spielraum beim Quadratmeterpreis.
Ein ALG II Empfänger muss im Regelfall nicht an einen anderen Ort umziehen, um seine Wohnkosten zu senken.
Für einen allein stehenden Wohnungseigentümer ist eine 80 Quadratmeter große Wohnung nicht unangemessen groß, er kann dort wohnen bleiben. Für eine vierköpfige Familie sind Wohnungsgrößen bis zu 120 Quadratmeter angemessen. Bei einem dreiköpfigen Haushalt stellen 100 Quadratmeter die Obergrenze dar.
(AZ L 7 AS 126/06 ER)
Das Hessische Landessozialgericht hat die Rechte und Pflichten der ALG II Empfänger klargestellt. Im aktuellen Fall hatte ein Arbeitsloser gegen die entsprechende Aufforderung des Landkreises Darmstadt-Dieburg einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Er argumentierte, eine Untervermietung in seiner 90 Quadratmeter großen Wohnung sei wegen der gemeinsamen Nutzung von Küche und Bad unzumutbar. Im übrigen habe die Kommune ihre Aufforderung zur Kostensenkung nicht konkretisiert, so dass er nicht habe wissen können, wie intensiv er Eigenbemühungen zur Suche nach angemessnem Wohnraum betreiben und belegen müsse. Außerdem müsse die Kommune eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnung für einen Umzug vorlegen und vorab eine Übernahmeerklärung für die Umzugskosten abgeben.
Das Landessozialgericht hat dazu entschieden, dass eine Untervermietung nicht von vornherein als unzumutbar gelten könne und der Arbeitslose sich daher um einen Untermieter hätte bemühen müssen. Gegebenenfalls muss der ALG II Empfänger konkret und belegbare Eigenbemühungen bei der Suche nach einer angemessenen, also kleineren und kostengünstigeren Wohnung nachweisen. Darüber hinaus wurde seitens des Gerichts festgestellt, dass eine Verpflichtung des Landkreises zur Aufstellung einer detaillierten Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Umzug nicht besteht. Die Kommune müsse solange keine Zusage für die Übernahme der Unterkunftskosten abgeben bis ein konkretes Wohnungsangebot für den Arbeitslosen vorliege.
Bezüglich seines Antrages auf die Übernahme der tatsächlichen Heizkosten erzielte der Kläger hingegen einen Teilerfolg. Die Pauschalierung der Heizkosten, die der Landkreis vorgenommen habe, sei nicht statthaft, wenn eine konkrete und nachvollziehbare Berechnung der Heizkosten vorliege. Diese ergebe sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Abschlagsforderungen der Energieversorger. Ausnahmen von einem solchen Vorgehen seien nur dann möglich, wenn Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Energieverhalten des ALG II Empfängers vorlägen. Solche Anhaltspunkt lagen jedoch im konkreten Fall nicht vor.
B 14/11b AS 9/07 R, B 14 AS 5/08
Der für Kinder bis 14 Jhre geltende Hartz-IV-Regelsatz ist nach Ansicht des Bundessozialgerichts verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe die Höhe des Satzes nicht ausreichend begründet. Die Richter setzten daher das Verfahren aus, mit der Folge dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen nun dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt wurden.
Kläger in den verhandelten Verfahren sind jeweils Kinder, die mit ihren Eltern in Bedarfsgemeinschaften leben. Die Kläger rügten, dass ihr Regelsatz das Existenzminimum nicht sichertstelle und das Verfahren zur Festlegung der Regelsätze nicht ordnungsgemäß sei. Dadurch werde der Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 3 Abs. 1 GG verletzt, da Kinder ohne sachlichen Grund gegenüber erwachsenen Hartz-IV-Empfängern benachteiligt würden.
Das Bundessozialgericht hält § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II, der die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres auf 60 % der für alleinstehende Erwachsene maßgebenden Regelleistung festsetzt, für verfassungswidrig. Der Regelsatz müsse auf Basis einer detaillierten normativen Wertung des Kinder- und Jugendlichenbedarfs festgesetzt werden.
Auch das hessische Landessozialgericht hält die Sozialleistungen für Familien für grundgesetzwidrif und lässt sie deshalb vom Verfassungsgericht prüfen.